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Rempel, Jakob Aron geb. 9.4.1883 in Heuboden (Ukraine), erschossen 11.9.1941 in Orel, Russland; verheiratet 1914 mit Marie, geb. Sudermann, gest. 1918, zwei Kinder, zweite Ehe 1921 mit Sophie, geb. Sudermann (Schwester seiner ersten Frau), 4 Kinder.

1907-1912 Theologie Studium in Basel an der Predigerschule und an der Universität; 1912-1915 Lehrtätigkeit an der Zentralschule in Chortitza; 1915-1920 Lehrtätigkeit an der Kommerzschule in Jusowka (heute Donetzk), Gymnasium in Nikopol und als Privatdozent der Germanistik an der Universität Ekaterinoslaw; 1920-1929 Dienst als Ältester der Mennoniten Gemeinde in Neu-Chortitza (Ukraine).

Ältester Jakob A. Rempel war wohl einer der bedeutendsten Persönlichkeiten unter den Mennoniten Russlands im 20. Jahrhundert sowohl was seine theologische Bildung anbetrifft, als auch durch seine hervorragende Persönlichkeit und öffentliche Tätigkeit. Er war der älteste Sohn in einer Familie von 13 Kindern. Der Vater und die Vorfahren waren Landwirte, doch den Vater zog es ins Geschäft und er wurde vorübergehend Mühlenbesitzer, erlitt aber 1893 einen vollständigen Bankrott und stürzte in bitterste Armut. Deshalb wurde Jakob nach Beendigung der Dorfschule in Schöndorf bei einem dortigen Bauern als Stallknecht angestellt. Er hat sich aber durch Selbststudium autodidaktisch weiter gebildet und wurde Lehrer. Mit Hilfe eines Stipendiums von einem wohlhabenden Mühlenbesitzer (Johann Thiessen, Ekaterinoslaw) konnte er 6 Jahre in Basel studieren. Er kehrte 1912 nach Russland zurück und begann seine Lehrtätigkeit an verschiedenen höheren Schulen in Chortitza, Jusowka, Nikopol und Ekaterinoslaw. Er diente auch der Mennonitengemeinde Ekaterinoslaw als Prediger. Im Frühjahr 1920 erhielt er einen Ruf als Professor der Germanistik an der Universität Moskau. Gleichzeitig wurde er von der Gemeinde Neu-Chortitza als Ältester gewählt. Er nahm die Wahl mit größter innerer Erregung an und wurde am 2. Mai 1920 ordiniert. Nun begann eine rege Tätigkeit in der eigenen Gemeinde und in den Nachbargemeinden. Auf der Allgemeinen Mennonitischen Konferenz in Oktober 1922 wurde er als Vorsitzender der Kommission für Kirchliche Angelegenheiten (KfK) gewählt. Ihm und der KfK galt es nun die Mennonitengemeinden Russlands vor einer anti-religiös eingestellten kommunistischen Regierung zu vertreten, der mennonitischen Jungmannschaft vor dem neuen Militärgesetzte und von dem Militärdienst zu befreien, und darüber hinaus nach wie vor das jetzt so besonders zerrissene Mennonitenvolk Russlands wieder zusammenzuschließen und die Verbindung untereinander zu unterhalten.

Unter seiner Leitung fand im Januar 1925 eine Allgemeine Mennonitische Bundeskonferenz in Moskau statt. Die Konferenz wurde später als „Zweite Märtyrersynode der Taufgesinnten“ bezeichnet. Die Roten Machthaber hatten sich in Moskau die Führer der Mennoniten Gemeinden wohl gemerkt und sie nicht mehr aus den Augen gelassen, und so fielen sie nach und nach den Henkersknechten in die Hände. Von den insgesamt 86 Teilnehmern wurden die meisten in den Jahren 1929-41 verhaftet und verbannt oder erschossen. Nur 18 gelang es nach Kanada oder der USA auszuwandern. Auf der Konferenz hielt Rempel es unbedingt für erforderlich, dass man ihn zunächst einmal etwas in den Hintergrund treten lasse. Deshalb wurde Alexander Ediger (siehe da) als Vorsitzender der KfK gewählt. Rempel wurde aber gebeten, auch weiterhin über der begonnenen Arbeit zu schweben, besonders die Sache einer Predigerschule zu organisieren. Letztere wurde von der Regierung aber nicht erlaubt. Im Juni 1925 nahm Rempel als Vertreter der Mennoniten Russlands an der ersten Mennonitischen Weltkonferenz in Basel teil und bereiste anschließend fast 4 Monate lang die Gemeinden Deutschlands. Der politische Druck auf den Gemeinden und den Predigern wurde von Jahr zu Jahr schwerer. Man erlaubte zwar einem jeden Bürger ein religiöses Bekenntnis zu haben, doch jegliche Form religiöser Propaganda wurde verboten. Fast alle Aktivitäten der Gemeinden wurden nun als antirevolutionäres Treiben abgestempelt. Alle Prediger mussten sich als „Kultusdiener“ registrieren lassen und verloren dadurch das Stimmrecht. Damit war ihnen auch jede Möglichkeit genommen, irgendeinen Verdienst zu finden. Trotzdem wurden die Kirchen- und Predigersteuer immer höher geschraubt. Der Zweck war die Prediger so wie die Gemeinde als ganze die Lebensmöglichkeit zu nehmen. Im August 1929 wurden Jakob Rempel Steuern von fast 800 Rubel auferlegt, bei einem Jahresverdienst von knapp 360 Rubel! Er wusste, dass er diese Summe nie aufbringen könnte. Um eine sichere Verhaftung aus dem Weg zu gehen, ist Ältester Rempel am 8. September 1929 aus Grünfeld geflohen. Am 13. Oktober wurde sein ganzes Vermögen konfisziert und die Familie aus Grünfeld vertrieben. Trotzdem konnte Rempel schreiben: „[ich] danke Gott, dass ich um Seines Namens willen leiden darf ... wollen gehen und Gott danken ... dass wir solche Gelegenheit erleben dürfen, zu beweisen, dass unser Glaube an Gott mit keinem irdischen Gut verbunden ist . . .“ (zit. n. ML 3, 473). Rempel versuchte im November 1929 über Moskau mit seiner Familie auszureisen, denn er hatte schon vorher Einreisedokumente vom deutschen Konsul in Charkow bekommen. Aber am 16. November 1929 wurde Rempel in Moskau von der GPU verhaftet, beschuldigt als Anstifter und Führer der Auswanderung zu sein, und nach 7 Monaten Untersuchungshaft am 9. Juni 1930 für seine angebliche „anti-sowjetische und konterrevolutionäre Tätigkeit“ auf Grund des berüchtigten §58 zu 10 Jahren Konzlager auf der Insel Solowki am Weißen Meer verurteilt. Im April 1931 wurde er von hier aus in ein Lager im Süden (Gebiet Alma Ata) versetzt. Im Januar 1932 bei einer zweiten Versetzung ist er in der Gegend von Omsk vom Zug entflohen und zur Mennoniten Kolonie Ak Metschet (Turkestan) geflüchtet. Hier konnte er fast vier Jahre unter den verfälschten Namen Sudermann (den Namen seiner Frau) als freier Bürger leben. In diesen Jahren besuchte er auch die Mennoniten in der Trakehn Ansiedlung (bei Pjatigorsk, Kaukasus) und traf sich dort mit seiner Frau. Irgendjemand hat ihn aber an der NKWD verraten and Rempel wurde am 13. März 1936 wiederum verhaftet. Er kam über Moskau nach Wladimir ins Gefängnis, wurde dann im November 1936 zurück nach Pjatigorsk (Kaukasus) gebracht und verhört (zu diesen Verhörprotokollen, s. Plokhotniuk). Auf einem Schauprozess wurde er erneut mit „konterrevolutionäre und anti-sowjetische Aktivität“ beschuldigt und am 18. April 1937 zu Tode durch erschießen gerichtet. Nach Einreichung eines Gnadengesuches wurde dieses Urteil auf 10 Jahre Gefängnis und anschließend 5 Jahre Entziehung aller bürgerlichen Rechte gemildert. Rempel wurde zurück nach Wladimir geschickt, kam dann im April 1939 nach Orel (500 km südlich von Moskau) ins Staatsgefängnis. Bis zum Juni 1941durfte er Briefe an der Familie schreiben. In einem dieser Briefe schrieb er: „Ich weiß, dass Gott es für mich bestimmt hat, deshalb will ich diese Last auch mit Würde tragen“ (zit. Heidebrecht, S. 265). In eines seiner letzten Briefe schrieb er noch: „Mann kann mich in Ketten legen, schlagen, mir den Kopf abtrennen, aber niemand kann meinen Glauben . . . mir nehmen. Vom Stallknecht zum Professor, . . . und jetzt bin ich auf dem Gipfel meines Lebens“ (zit. Rempel, S. 474). Am 8. September 1941, beim herannahen der deutschen Truppen an Orel wurde Rempel wiederum vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR für Verbrechen nach §58, Absätze 4,6 und 10 des Strafgesetzbuches der RSFSR zum Tode verurteilt. Am 11. September 1941 wurde er erschossen. Fast 50 Jahre später, am 15 März 1989, wurde J. A. Rempel durch einen Beschluss der Staatsanwaltschaft der UdSSR rehabilitiert.




Literatur: A. REMPEL: „Rempel“; P. REMPEL: Lebensgeschichte; H. HEIDEBRECHT: Gipfel.

REMPEL, Alexander: „Rempel, Jakob Aron,“ in Mennonitisches Lexikon [ML], Bd. 3, S. 470-474. REMPEL, Peter: Ältesten J.A. Rempel’s Lebens- und Leidensgeschichte. Selbstverlag, o. D. HEIDEBRECHT, Hermann: Auf dem Gipfel des Lebens, Vom Stallknecht zum Professor, vom Träumer zum Märtyrer. Bielefeld: Christlicher Missions Verlag, 2004 LETKEMANN, Peter: A Book of Remembrance – Mennonite Victims of the Second Revolution, 1929-1941. (in Vorbereitung) PLOKHOTNIUK, Tatiana: “The Life and Death of Jacob Aron Rempel, An Example of Mennonite Resistance to Destructive State Power”, unveröffentlichter Referat an der wissenschaftlichen Konferenz “Molochna 2004: Mennonites and their Neighbours (1804-2004),“ abgehalten in Zaporizhia, Ukraine, 2–5 Juni 2004. TÖWS, Aron A.: Mennonitische Märtyrer der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart. Winnipeg: Selbstverlag, 1949, S. 30-46.

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