Jakob Heinrich Siemens

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Siemens, Jakob Heinrich geb. 27.9.1883 in Eichenfeld (Jasykowo Ansiedlung); erschossen 1937 in Saporoschje (?); verheiratet am 30.08.1903 mit Anna (geb. Aron Thiessen), 10 Kinder (1 als Kleinkind gest.).

Jakob Siemens stammte aus einer Prediger Familie. Sein Vater Heinrich Siemens und sein älterer Bruder Gerhard waren beide Prediger. Jakob besuchte die Dorfschule in Eichenfeld und danach die Chortizer Zentralschule. Anfang des 20ten Jahrhunderts ist die Siemens Familie nach Neuendorf umgesiedelt. Hier hat Jakob sich 1903 mit Anna Aron Thiessen verheiratet. Er kaufte 30 Dessjatin Land von seinem Schwiegervater, mietete noch 30 Dessjatin dazu und Arbeitete als Landwirt in Neuendorf. Während des Ersten Weltkrieges leistete er seinen Ersatzdienst als Apotheker. Nach dem Krieg kehrte er zurück zur Familie. Während der schrecklichen Typhus Epidemie in den Jahren 1919-20 starben innerhalb wenigen Wochen sein Vater und Bruder Gerhard. In dieser schweren Zeit wurde dann Jakob Siemens 1919 als Prediger der Neuendorfer Mennonitengemeinde gewählt. Er war kein hoch gelehrter Theologe sondern ein einfacher, tiefgläubiger Bauernsohn, der bereit war seiner Gemeinde treu bis in den Tod zu dienen. Als die zwangsmäßige Kollektivierung in Herbst 1929 anfing plante Siemens das Dorf Neuendorf zu verlassen und in den Dörfern der Jasykowo Ansiedlung Unterkunft zu finden. Der Wagen wurde aber angehalten und er musste zurück ins Dorf. Die Beamten des Dorfsowjets warteten auf ihn und er wurde von ihnen verhört. Nachher erzählte er seiner Familie die Beamten hatten ihn zwingen wollen seinen Glauben und Dienst öffentlich als „falsch“ und die Bibel als eine „Lüge“ zu erklären. Er hat es nicht gemacht. Anstatt dessen kam er aus dem Sowjet heraus, stieg auf seinen Wagen und sagte den versammelten Dorfsleuten, dass er ihnen nur die Wahrheit gepredigt hätte, dass sie die wahre Hoffnung nur in Gott finden könnten. So lange sie die Lehren der Bibel befolgten würden sie auf den richtigen Weg bleiben, egal wie schwer das Leben werden möge. Am 28 Februar 1930 wurde er auf einer Plenarsitzung des Dorfsowjets zusammen mit 15 anderen Familien als „Kulak“ eingestuft und zur Entkulakisierung unter der Kategorie III bestimmt (GAZO, f. R-101, op.1, d.103). Zu dieser Kategorie gehörte die Mehrzahl der Kulaken. Laut Gesetz durften sie vorläufig in den Grenzen des jeweiligen Rayons verbleiben, aber sie mussten auseinandergesiedelt werden, und zwar außerhalb der Grenzen von Kolchosländereien auf neu zugewiesene Grundstücken. Danach wurde bestimmt, dass die Familie Jakob Siemens, samt 19 anderen Familien des Deutschen Chortitzer Rayons, ende März zur neuen Kulakensiedlung Nr. 2 ausgesiedelt werden sollten (GAZO, f. R-235, op.3, d.48, S.7, 12v, 23, 25). Insgesamt wurden 76 auszusiedelnden Kulakenfamilien in vier Kulakensiedlungen verteilt. Am Tag der Aussiedlung, in der zweiten März hälfte, spielten sich in Neuendorf interessante Dinge ab. Sowjet Beamten merkten schon vorher etwas, deshalb fuhren am Tage, als die Aussiedlung stattfinden sollte, die ganze Milizabteilung, der Vorsitzende des RVK, Parteimitglieder, die Mitglieder der GPU und noch viele andere hinaus nach Neuendorf. Aufzuladen erlaubte das Volk, aber da haperte es - bis zur Mühle kam man, aber weiter nicht. Da hatte sich das ganze Dorf versammelt und gab den Weg nicht frei. Ganz Jammertal (Neuhorst) war versammelt und viele Reiter aus dem Russendorf Michailowka und in erster Linie und am bravsten - die armen Frauen. Man versuchte es mit Güte und mit Ernst, aber die Leute räumten nicht den Weg. Nun wendete man die Fuhrwerke und wollte auf dem Wege nach Schönhorst hinausfahren, aber schon waren Menschenknäuel da. Man wollte die Rädelsführer festnehmen, aber es war keiner zu finden, so dass man schließlich zurückfahren musste und abladen ließ. „Am nächsten Tage wurde Prediger Jakob Siemens verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. . . Als man am nächsten Tag die Aussiedlung wieder versuchen wollte, ging dieselbe Geschichte los. . .” (zit. n. F. Thiessen, Neuendorf, S. 203). Die Behörden ließen aber nicht nach, und endlich wurden dann doch alle Familien ausgesiedelt. Die Familie des verhafteten Jakob Siemens kam nach Blumengart. Der verhaftete Prediger Siemens verbrachte vier Jahre in 19 verschiedene Gefängnisse und Arbeitslager, kehrte aber im Frühling 1934 zurück zu seiner Familie in Blumengart. Hier arbeitete er als Nachtwächter in der Kolchose ‚Rekord.’ Nach den Aussagen seines Enkels Heinrich Derksen, haben sich Leute am Sonntag in Privathäusern versammelt um heimlich Gottesdienste abzuhalten. Siemens predigte, hat auch junge Leute heimlich getauft und vermählt. Seine Kinder baten ihn dies nicht zu machen, weil es gesetzlich strafbar war, aber er sagte er könnte nicht anders als des Herrn Werk zu tun. Am 27. August 1937 wurde er wieder von der NKWD verhaftet. Nach einer gründlichen Haussuchung, wo es sich angeblich um Briefe aus dem Ausland ging (keine wurden gefunden), wurde er nach Saporoschje ins Gefängnis gebracht. Am 2. September 1937 wurde er wegen angebliche „konterrevolutionäre Tätigkeit gegen den Staat“ zum Tode durch erschießen verurteilt. Da Urteil wurde am 11. September in Saporoschje vollstreckt. Dieses schreckliche Schicksal traf damals mehr wie 80% der deutschen die in den Jahren 1937-38 im Saporoschje Gebiet verhaftet wurden.

Literatur: THIESSEN, Franz P.: Neuendorf; KRAHN, Curt: Family Steps.

[Unbekannt]: “Entkulakisierung in Chortitza und in andern Dörfern,” Der Bote, 28 Mai 1930, S.3 DERKSEN, Henry (Enkel): Interview am 14 September 2004 in Winnipeg, Kanada. GAZO (Gosudarstvenii Arkhiv Zaporozhskoi Oblasti): fond R-99, opis 1, delo 103; fond R-235, op.3, delo 48; fond R-5747, opis 3, delo 10072 und op 4, delo 4. KRAHN, Curt. Family Steps. Winnipeg: Selbstverlag, 1992. LETKEMANN, Peter: A Book of Remembrance – Mennonite Victims of the Second Revolution, 1929-1941. (in Vorbereitung) THIESSEN, Franz P.: Neuendorf in Bild und Wort. Espelkamp: Selbstverlag, 1985, S. 75, 203. WINTER, Henry H.: Ein Hirte der Bedrängten. Wheatley, Ontario: Selbstverlag, 1988, S.12.

Submitted by Peter Letkemann